Sonntag, 7. November 2010

Statistische Abweichung

Bei meiner lieblings DB Anwendung (Filemaker) gibt es eine Funktion die statistische Abweichungen automatisch detektiert und auswertet. So können beispielsweise Skripte erstellt werden die bei "Kostenexplosionen" auf bestimmten Kostenstellen eine Warnmeldung erzeugen. Ich mag so etwas.

Das gibt es auch im wirklichen Leben. Find ich. Irgendwie.

Wenn mich zum Beispiel 2 Frauen an einem Tag in der Bahn anlächeln ist das eine statistische Abweichung von 100%. Sind beide auch noch hübsch dann sogar 200% Abweichung. Mir macht es Spass im Alltag statistische Abweichungen zu "entdecken" um dann stundenlang nach deren Grund zu grübeln. Gut, es gibt keinen. Es sind nur Zufälle. Aber mein ständiger Drang zum Assoziieren... Aber das ist ein anderes Thema.

Dieser Dönerladen in der Nähe der TU Harburg ist mal echt lecker! Familienbetrieb. Selbstgemachte Saucen und Dressings. Allesamt köstlich. Schon oft passiert, dass ich mit 2 anstatt einem Döner nach Hause kam weil ich mich nicht entscheiden konnte. Aber heute soll es nur bei einem Döner bleiben. Mit Avocadosauce, Schafskäse und einer Dose Cola. Sex kann einpacken gegen eine gut gekühlte Dose(!) Coca(!) Cola! Ist meine Belohnung für den 200Meter weiten Weg zur Dönerbude. Muss sein.

Der Laden ist zum Glück nicht allzu voll um diese Zeit. Schätze die machen gleich Feierabend. Ich feuere also meine Bestellung ab die dann auch prompt erledigt wird. "Zum hier essen oder mitnehmen?" - "Mitnehmen, bitte!" Der nette Mensch packt meinen Döner in die Tüte. Dabei fällt ihm auf, dass er versehentlich 2 Tüten genommen hatte. "Ist das OK wenn ich den Döner in 2 Tüten packe?" - "Sicher. Kein Problem!" Wie höflich! Ich frage mich ob die statistische Abweichung darin besteht 2 Tüten von der Dönerbude zu bekommen oder ob es die Frage selbst ist. Naja. Auf dem Weg nach Hause habe ich ja Zeit darüber zu grübeln. Aber als erstes geniesse ich die Vorfreude auf meine kleine, unschuldige, unverbrauchte Dose Cola. Ja, wir lieben uns! Heirat nicht ausgeschlossen!

Ich gehe los. Die Marienstrasse hoch. Dort haben die 9/11 Terroristen gewohnt - jetzt ich. Allerdings leider einen Eingang weiter. Eine nette Kopfsteinpflasterstrasse mit Seitenstrassen. Ich hab es nicht so weit.

Menschen streiten sich. Ich höre das als ich eine der Seitenstrassen überquere. Es ist Harburg. Hier streiten sich ständig Menschen. Ein Dauerbrenner: zwei prügelnde Typen vor der Tür die von ihren hysterischen Freundinnen verzweifelt angeschrien werden endlich aufzuhören. Da selbst Peter Fox darüber gerapt hat gehe ich davon aus, dass es sowas wie ein Ritual ist heutzutage.

Ich höre einen Typen schreien. "Du dreckige Nutte! Ich hab Dir doch schon 1000mal gesagt: reiz mich nicht. Reiz mich nicht!". Eine Frau steht auch dort. Sie sagt irgendwas. Es ist aber zu leise ich kann sie nicht verstehen. Sie stehen ca. 50Meter weit weg. Egal. Muss nach Hause. "...und ich hab Dir auch gesagt was passiert wenn Du Fotze mich verarscht!" *klatsch* Er schlägt sie. Sie wimmert irgendwas. "Was ist?" *klatsch* "Du Drecksfotze!" *klatsch* "Brauchst Du das?" *klatsch*
Ich bleibe leicht irritiert stehen. Typen die Frauen schlagen mag ich ja nicht so. Am liebsten würde ich ihnen ihr kümmerliches Hirn rausprügeln. So als ultimative Demonstration von dem von ihnen häufig gebrauchten Gesetz des Stärkeren. Ist aber gesetzlich geregelt sowas. Und das akzeptiere ich. Wirklich.

Ich mache auch nur ganz selten Ausnahmen. Aber hier scheint mir, liegt ein Antrag eines Kandidaten für eben diese Ausnahme vor. Ich sehe mich um. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite führt eine Dame mittleren Alters gerade ihren Hund aus. Sie wirkt unbeeindruckt. An der Ecke, keine 5 Meter von mir, steht eine junge Frau. Sie hat ihr Handy in der Hand und beobachtet die Situation aus sicherer Entfernung. Vermutlich Studentin. Sie wird wahrscheinlich einschreiten wenn´s hässlich wird. Und eine Stimme in mir sagt, es wird hässlich werden. Versuche also Blickkontakt zu vermeiden. Ich gedenke dem Antrag stattzugeben.

Es ist immer schwierig sich in solche Streitereien einzumischen. Ein Freund von mir wollte auch mal in einer ähnlichen Situation einspringen. Da hatten sich die beiden Streitparteien schwupps solidarisiert und meinen Kumpel angepöbelt er solle sich doch besser raushalten aus persönlichen Angelegenheiten. Zusätzlich vertrete ich ja die Meinung, dass Frauen, die geschlagen werden und sich dann nicht umgehendst trennen, es auch nicht besser verdient haben.

Behalte mir also vor gleich 2 Menschen mit meinem Weltbild zu konfrontieren.

"Du kleine beschissene Schlampe!" *klatsch* *klatsch* Sie versucht die Schläge abzuwehren aber er drückt sie an die Wand und spielt seine körperliche Überlegenheit voll aus. Der Lümmel, der. Er kommt jetzt auch richtig in Fahrt. *klatsch* "Du Schlampe machst das mit mir nicht! Mit mir nicht!" *klatsch* Sie weint. Sie versucht wegzulaufen. Aber er ist stärker.
Auf seinem Antrag steht jetzt auch so etwas wie "uneingeschränkt stattgegeben". Mit Ausrufezeichen. Ich entscheide mich hinzugehen.

"Fotze!" *klatsch* "Billige Schlampe!" *klatsch* Sie will einfach nur weg. Er nicht. Ca. 40 Meter. So´n Dreck! Jetzt muss ich auf dem Weg nach Hause noch einen Umweg gehen weil ja an der Ecke das Mädel mit dem Handy steht. In diese Richtung gehe ich hinterher bestimmt nicht mehr nach Hause. 30 Meter.

Es ist ein Mensch mit Migrationshintergrund, Zopf und Lederjacke. Miese Kombi. "Du Drecksfotze!" *klatsch* Er beginnt sich zu wiederholen.

20 Meter. Jetzt erkenne ich sie. Sie ist nicht blond. Nicht aufgebitcht. Sie wirkt anständig. Nicht das was sonst so in Harburg von Menschen mit Migrationshintergrund zusammengeschlagen wird. Ich werde ihm seine Existenzberechtigung entziehen. Ich bin aufgeregt. Im positiven Sinne. Das Adrenalin euphorisiert mich. Ich weiss er wird es auch geniessen.

10 Meter. Sie ist einfach nur fertig, will zusammensacken aber er zieht sie immer wieder hoch. Er sieht mich nicht kommen. Er ist zu beschäftigt.

5 Meter. 2 Meter. Ich sehe mit leerem Blick auf den Boden und sage, nachdem er mich bemerkt hat, mit leiser Stimme: "Diese Party ist jetzt hier vorbei." Er dreht sich zu mir um. "Alder, ich weiss nicht was für ein Problem..."- in diesem Moment erreicht meine Tüte mit dem Döner und der Coladose sein Gesicht. Ich habe so fest zugeschlagen wie ich nur konnte. Die Dose trifft sein Jochbein. Es wird augenblicklich dick. Er torkelt 1-2 Sekunden, geht zu Boden und schreit dann wie am Spiess.

Ich sehe zu ihr auf. Ich sehe Angst. Ich weiss ich werde ewig von diesem Blick Albträume bekommen. Sie nimmt ihre Tasche und rennt weg. So schnell sie kann. Sie hat sich auch nicht mehr umgedreht. Schliesse daraus, dass sie wirklich anders ist als die anderen. Soviel zur Arbeit. Nun zum Vergnügen.

Ich knie mich auf seinem Brustkorb. Er hält sich mit den Händen das Gesicht und schreit. Ich geniesse es ein paar Augenblicke bevor ich ihm behutsam die Hände vom Gesicht nehme. Er sieht mich mit seinem schmerzverzehrten Gesicht an. Er faselt irgendwas. Alles um mich herum ist wie in Watte getaucht. Ich fühle mich wohl, habe einen Tunnelblick. Ich sehe nur noch ihn. Ich lächle ihn an. Dann trifft meine Faust sein Jochbein. Und nochmal. Immer und immer wieder. Mir tut nach kurzer Zeit die Hand weh. Ich nehme die andere. Das Geschrei wird rhythmisch unterbrochen von meinen Faustschlägen. Irgendwann geht es in ein blubbern über. Der Typ sieht scheisse aus. Sein Kopf ähnelt einer geplatzten Blutkonserve. Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter. Jemand will mich dazu bringen aufzuhören. Noch 1 - 2 mal schlage ich zu dann stehe ich auf. Das reicht. Er ist fast bewusstlos. Die Nase und das Jochbein scheint gebrochen. Die rechte Augenbraue ist geplatzt und blutet wie sau.

Ich sehe zwei ältere Herren die mich ungläubig angucken und mich Dinge fragen. Sie wollen meinen Ausweis. Sie wollen, dass ich dort bleibe. Es ist mir egal. Ich nehme meine Tüte mit dem Döner, orientiere mich kurz und gehe los. Plötzlich ein zischen. Ich kann es zuerst nicht recht lokalisieren. Es kommt aus meiner Tüte. Ich kenne dieses zischen. Wie mies bitteschön kann das verfickte Schicksal sein? Das(!!) hat meine Dose nicht verdient. Nicht so! Meinetwegen soll sie als Longdrink enden aber: n i c h t  s o !

Jetzt wird die Geschichte beschissen persönlich! Ich bin scheisse sauer! Wütend sogar! Er kann umhauen was er will - nur nicht MEINE Dose Cola! Publikum hin oder her. Ich gehe zurück. Einer der beiden Herren kümmert sich um das Stück Scheisse. Das Mädel mit dem Handy steht nun auch dort und diskutiert mit dem anderen Mann. Sie sehen mich kommen. Die beiden Männer stellen sich schützend vor meinen Patienten. Bringt nix. Zu wenig Masse. Ich gehe durch sie durch. Er ist mittlerweile wieder etwas zu sich gekommen. Er liegt immer noch. Als er mich sieht versucht er rückwärts, auf dem Rücken liegend, wegzukriechen. Es winselt um Gnade. Aber hey, diese Chance hatte meine Coladose schliesslich auch nicht.

Während ich die zischende, klebrige Dose aus der Tüte hole fixiere ich sein Gesicht mit meinem Fuss auf dem Gehweg. Er schreit wieder. Ziemlich einfältiger Typ. Ich hole aus wie ein Pitcher beim Baseball und werfe ihm die Dose aus ca. 1 1/2 Metern mit voller Wucht ins Gesicht. Er versucht sie abzuwehren. Klappt nicht ganz. Sie erwischt ihn irgendwo an Kinn. Jetzt blutet er auch noch aus seinem Mund.

Die beiden Männer sind ausser sich. Sie pöbeln. Ich sehe sie an. Sie verstummen kurz. Jetzt ist es Zeit zu gehen. Schätze das Mädel hat schon die Polizei gerufen. Ich gehe los. Ich verschwinde in eine Hinterhofeinfahrt und verstecke mich in einem Gebüsch hinter einer Garage. Mir ist niemand gefolgt. Die Hinterhöfe in der Marienstrasse sind riesig. Ein Kumpel wohnt im Erdgeschoss von genau diesem Hinterhof. Ich rufe ihn an. Sage was von Notfall und Asyl. Er öffnet seine Balkontür. Ich klettere hinein.

Aufgeregt erzähl ich ihm von der Dose Cola. Wir sitzen am Fenster und zählen die Polizeiwagen. Sie fahren den ganzen Abend durch´s Viertel. Der Döner ist ziemlich zermatscht. Wir teilen ihn. Er ist Zuckerkrank und hat für Notfälle Traubenzucker und eine Dose Cola im Kühlschrank.

Dies ist ein Notfall!

Sonntag, 19. September 2010

Asphalt

Nennt es verrückt, aber ich liebe die Körnung von Asphalt. Diese, ganz nah betrachtet, willkürlich angeordneten kleinen Steinchen, die andererseits aber grossflächig betrachtet, mit einer unerklärlichen Präzision aufgetragen, eine wunderbar gleichmässige Oberfläche ergeben. Grundgütiger, wir haben mehrere tausend Kilometer asphaltiert und ich wette die Steinchen liegen in Flensburg wie in München in gleichem Abstand zueinander.

Faszinierend!

Nach einem sonnigen Tag wärmt sich der Asphalt auf und speichert die Wärme bis in die Nacht. Heute war es sonnig. Und der Asphalt ist immer noch warm. Ich kann Tiere verstehen, die sich nachts auf irgendwelchen Landstrassen zum aufwärmen hinlegen. Würd ich auch machen als Tier. Ich spüre die kleinen Asphaltsteinchen auf denen mein Gesicht liegt. Es ist angenehm. Es tut nicht sehr weh. Nur im Bereich der Schläfe, dort wo nur eine dünne Hautschicht den Knochen schützt, ist es etwas unangenehm. Das kann aber auch vom Hinfallen sein. Bin ich Hingefallen? Auf den Kopf? Nein, bin ich nicht. Ich habe mich hingelegt. Bin nicht gefallen. Ich lege meine Hand drunter. Zum Glück habe ich mich auch direkt aus der Tür heraus übergeben und mich dann einen Schritt weiter weg vom Auto hingelegt. Nur den Motor und das Licht habe ich angelassen. Und die Tür ist auch noch auf. Ich bin aber froh das ich es noch auf die Parkbucht geschafft habe. Sonst müsste ich morgen im Auto einen Putztag einlegen. Hoffentlich liegen nicht noch meine Schuhe in der Kotze. Aber Schuhe sind nicht so schlimm.

Ich trinke in letzter Zeit öfter mal was. Mehr als sonst. Ein Auto kommt. Hinter mir. Ich erschrecke aber ich kann mich jetzt nicht bewegen. Dafür ist es gerade zu angenehm.

Das Auto kommt zum Stehen. Dann höre ich wie die Tür aufgeht und ein Mann mit schwarzafrikanischem Akzent zu mir spricht. Es ist lustig. Ich mag diesen Akzent. Mein schwuler Freund Arne, er steht nur auf schwarzafrikanische Typen, findet diesen Akzent sexy. Es hat wirklich irgendwas. Sexy finde ich es nicht aber schon irgendwie drollig. Dieser Mann schimpft offensichtlich mit mir aber es hört sich trotzdem an wie eine Gute-Nacht-Geschichte von Roberto Blanco. Ich mag das.

Der Mann hört auf zu schimpfen. Er steht jetzt hinter mir. Er packt mich an der Schulter und dreht mich auf den Rücken. Ich sehe ihn an. Jetzt wird er richtig wütend. Er schimpft noch aufgeregter als zuvor. Fuchtelt wild mit den Händen. Fragt mich Dinge. Mir wird schlecht wenn ich auf dem Rücken liege. Warum geht es mir nur so verdammt übel? Was habe ich denn bloss getrunken? Ein paar Bier, 4-5 Caipi´s und ein paar Tequila. Daran kann´s nicht gelegen haben. Da hatte ich vorgestern mehr. Und am letzten Wochenende. Gekifft habe ich heute auch nicht. Es wird wahrscheinlich das Lakritz gewesen sein. Die hatten bei STAPLES eine fette HARIBO-Nachmach Lakritz-Trommel im Angebot für 2,99EUR. Und weil ich absolut nichts kontrollieren kann, habe ich sie in einem Rutsch aufgegessen. Es muss das Lakritz gewesen sein. So schmeckt es auch.

Ich drehe mich wieder in meine Embryonalstellung zurück und übergebe mich. Der Mann schimpft immer noch. Er geht zu seinem Auto. Ich höre ein Funkgerät. Es muss ein Taxi sein. Ich bekomme nur Wortfetzen mit aber ich höre wie er mehrfach "Polizei" sagt. Wie schön. Ich mag die hamburger Polizei. Ich hatte wirklich nie Probleme mit Polizisten aus Hamburg. Nicht mal, dass sie unhöflich waren.

Ich versuche jedes Jahr zu Weihnachten, wenn ich es schaffe, zu der Polizeidienststelle in meinem Bezirk zu gehen um ein Pfund Kaffee abzugeben. Ist auch irgendwie lustig. Die tragen den Namen des "Spenders" in eine Liste ein. Ich frage mich immer ob sie das machen um die Leute danach "bevorzugt" behandeln zu können oder ob es eine Absicherung ist, wenn in dem Pfund Kaffee mal 2 LSD Trips drin sind. Waren bei mir aber nie. Wie gesagt, ich mag die hamburger Polizei.

Ich wurde immer respektvoll behandelt. Und ich bin Kiffer. Hab da auch einige kleinere Problemviertel-Schweinereien hinter mir. Aber trotzdem: immer freundlich. Na ja, fast. Einmal hat mich ein Polizist in Zivil mit seiner Dienstwaffe bedroht als ich auf der B73 im Berufsverkehr mein Auto über 2 Spuren quer geparkt hab um deren Radarfalle zu sabottieren. Aber selbst das kann ich nachvollziehen. Ich bin fast 2 Meter gross. Und wenn ich an seiner Stelle mit ca. 1,70m, von einem 2 Meter Menschen der ausser sich vor Wut scheint angegriffen werde, hätte ich die Waffe bestimmt nicht nur gezogen sondern in einer Affekthandlung auch benutzt.

Aus diesem Grund hasse ich Waffen. Ich habe noch nicht einmal einen Baseballschläger im Auto. Ein kleines Taschenmesser im Angelkasten. Das ist alles.

Ich höre wie noch mehr Autos anhalten. Es steigen Leute aus und diskutieren mit dem Taxifahrer. Es ist mir egal. Ich liege mit dem Rücken zu ihnen. Ich frage mich wie genau jetzt die Strasse heisst auf der ich liege. Ost-West-Strasse oder Willy-Brandt-Strasse? Haben sie die komplett umbenannt oder nur einen Teil? Und wenn, auf welchem Teil bin ich gerade? Schon komisch Strassen umzubenennen. Find ich sinnlos. Mag ich nicht. Blaulicht flackert von dem gegenüberliegendem Haus zurück. Ein Auto kommt. Die Polizei. Und der Asphalt ist auch noch warm.

Ein Mann, ich sehe nur seine Schuhe vor mir, stellt sich vor mich und fragt: "Alles in Ordnung? Brauchen sie Hilfe?" Das wird der Polizist sein. "Nee, nee Herr Wachtmeister." antworte ich, "Alles gut. Hatte nur einen Lütten zuviel. Nix schlimmes." Das mit dem Lakritz muss er ja nicht unbedingt erfahren. Das wär mir peinlich. "Können sie gehen?" Na klar kann ich. Ich will´s nur grad irgendwie nicht. So schön warm. Andererseits liege ich jetzt doch fast in meiner Kotze und ich könnte mich ruhig mal zusammenreissen und auch mal nett sein. Ist ja schliesslich die Polizei. Also antworte ich mit einem entschiedenen "Ja!". "Na gut. Dann stehen sie bitte auf und wir sehen, dass wir die Fahrbahn frei machen." Eine Aufforderung. Die Menschen hinter mir diskutieren aufgeregt mit einer Frau. Ich vermute es ist seine Kollegin. Ich stemme mich vom Boden ab und hocke mich hin. Mir ist verdammt schwindelig. Kotzen muss ich gerade nicht. Habe ich ja eben schon. Ein paar Sekunden verharre ich in der Hockstellung. Dann stehe ich auf. Bin etwas wackelig. Der Polizist greift mir unter den Arm und hilft mir.

Nun sehe ich die anderen Auto´s. Sie stehen hinter dem Taxi mit dem Warnblinklicht. Etwa 3-4 Auto´s. Die Menschen gucken mich böse an. Einige schimpfen. Was genau kann ich nicht hören. Die Frau ist wirklich eine Polizistin. Ich hatte recht. Erhasche kurz einen Blick von ihr und befinde sie für hübsch. Sie sagt den Leuten sie sollen weiterfahren. Bis auf den Taxifahrer. Irgendwie gemein. Der muss wahrscheinlich als einziger mit Autofahren Geld verdienen und darf als einziger nicht fahren. Jetzt aber erstmal versuchen zu gehen. Auf keinen Fall torkeln. Bloss keine Blösse geben. Ein bisschen funktioniert es. Ich will zu meinem Auto um den Motor abzustellen und das Licht aus zu machen. Das kostet auch nur unnötig Sprit. Der Polizist führt mich aber am Auto vorbei zu einer kleinen Mauer. "Das mit dem Auto machen wir schon." beruhigt er mich. Das ist gut. "Hier können sie sich hinsetzen." Ich setze mich auf die Mauer und stütze meinen Kopf auf meine Hände.

"Haben sie ihren Personalausweis dabei?" Ich gebe dem Polizisten meinen Ausweis. "Fahrzeugschein?" - "Liegt im Auto. Kann ich holen." - "Nein, lassen sie mal. das können wir gleich machen." Seine Kollegin kommt dazu. Die Autos fahren weg. "Und was hat er?" fragt sie. "Lütten ein über´n Durst." antwortet der Polizist. "Brauchen wir einen Rettungswagen?" - "Werden wir gleich sehen."

Der Polizist wendet sich wieder mir zu. "Wie ist ihr Name?" - "Matthias XXXXXXXX" antworte ich gestochen schnell. "Wohnhaft?" - "XXXXXstrasse 52, 210XX Hamburg" Wie aus der Pistole geschossen. "Haben sie jemanden der sie abholen kann?" - "Brauch ich nicht. Ich kann nach Hause gehen. Muss mich nur ein bisschen ausruhen." Er kommt näher und setzt einen väterlichen Ton auf: "Pass mal auf, jung. Gehen lassen können wir dich so nicht. Dafür bist du zu voll. Entweder du hast jemanden der dich hier abholt oder wir müssen dich über Nacht medizinisch überwachen." Ha. Verstanden! Er meint Ausnüchterungszelle. War ich nie. Will ich nie. Aber wer kann mich abholen? "Haben sie eine Freundin oder einen Freund? Einen Verwandten? Irgend jemanden der sie hier abholen kann?" - "Eine Freundin!" Oh Mann das gibt wieder Ärger. Sie mag sowas gar nicht. Aber diesmal ist es ein echter Notfall. Mal wieder.

Moment! Das ist gar nicht mehr meine Freundin! Warum eigentlich? Ach ja. Sie wollte zum Flohmarkt. Hatte ich ganz vergessen. Muss mich erst noch an die neuen Umstände gewöhnen. Fühlt sich komisch an. "Geht auch eine Exfreundin?" frage ich. Das hat sie offensichtlich amüsiert. Jetzt guckt auch seine Kollegin nicht mehr so grimmig. Schätze ich hab da einen Pluspunkt bei ihr gelandet. "Haben sie ihre Telefonnummer?" fragt mich der Polizist. "Klar. 0179 XXX XX XX" Ging auch wieder fix. "Gut. Wir rufen sie jetzt an und fragen ob sie sie abholen kommt." - "Sehr gut!" Ich lege mich auf die Mauer und schliesse die Augen. Übergeben muss ich mich nicht mehr.

Irgendwann höre ich ihre Stimme. Sie redet mit den Polizisten. Dann hilft sie mir in ihr Auto. Die Polizisten fahren weg. Wir fahren zu ihr.

Am nächsten Morgen wache ich in ihrem Bett auf. Das kenn ich. Hier bin ich oft aufgewacht. Sie weint. Sie sagt es sei OK wenn ich bei ihr noch dusche aber dann solle ich doch besser gehen. Ich hab hier noch einen Kleiderschrank mit meinen Klamotten. Das ist praktisch.